Hämophilie und Gelenke
Wie ist ein Gelenk aufgebaut?
Ein Gelenk besteht aus knöchernen und bindegewebigen Anteilen. Am Beispiel des Kniegelenks kann man sich den Gelenkaufbau klar vorstellen. Die knöchernen Anteile des Kniegelenks bilden:
- der Oberschenkelknochen
- der Unterschenkelknochen
- die Kniescheibe
Diese werden von den bindegewebigen Anteilen umgeben. Die Knochen, die im Gelenk miteinander kommunizieren, werden dabei von einer Knorpelschicht überzogen. Diese dient als Schutz- und Dämpfungsschicht für das Gelenk. Bei einer Arthrose wird Knorpel abgebaut und das Gelenk wird steif und schmerzt. Der Innenraum des Gelenks wird von den Bändern und der Gelenkkapsel gebildet. Die Gelenkkapsel bildet eine Hülle um das Gelenk und ist mit Gelenkflüssigkeit (Synovia) gefüllt. Die Gelenkkapsel wird innen von einer gut durchbluteten Gelenksinnenhaut (Synovialis) ausgekleidet, die für die Ernährung des Knorpels zuständig ist.
Was passiert im Gelenk bei einer Gelenkblutung?
Bei einer Gelenkblutung kommt es zu Einrissen in der gut durchbluteten Gelenksinnenhaut. Die Blutung kann so stark werden, dass die Gelenkkapsel prall mit Blut gefüllt ist. Problematisch für das Gelenk sind die nach einer Gelenkblutung auftretenden Entzündungsvorgänge an der Gelenksinnenhaut, die durch den Abbau des Blutes entstehen.
Bei unzureichender Behandlung bestehen diese Entzündungen über längere Zeit und können zu Strukturveränderungen an der Gelenksinnenhaut und am Knorpel führen. Deshalb ist es wichtig, eine Gelenkblutung gut zu therapieren und dafür zu sorgen, dass keine weiteren Blutungen mehr in diesem Gelenk auftreten.
Wie machen sich Gelenkblutungen bemerkbar
Die Gelenke sind bei der Hämophilie am häufigsten von Blutungen betroffen. Bei Patienten mit schwerer Hämophilie treten diese Blutungen ohne vorherige Verletzungen auf. Man spricht deshalb auch von Spontanblutungen. Es können alle Gelenke von Blutungen betroffen sein, jedoch sind am häufigsten die folgenden Gelenke betroffen:
- Sprunggelenk
- Kniegelenk
- Ellenbogengelenk
Die äußeren Zeichen einer Gelenkblutung sind:
- Schwellung
- Erwärmung
- Schmerzen
- Bewegungseinschränkung
Häufig nimmt der Patient schmerzbedingt eine Schonhaltung ein.
Viele Patienten verspüren schon bevor eine Gelenkblutung mit äußerlichen oder bildgebenden Verfahren sichtbar wird, dass eine Blutung beginnt. Man spricht auch von einer Aura.
Die Häufigkeit von Gelenkblutungen hängt vom Schweregrad der Hämophilie ab. Es können jedoch unbehandelt bis zu 50 Gelenkblutungen pro Jahr auftreten. Kommt es immer wieder zu Blutungen im selben Gelenk, dann spricht man ab einer Anzahl von vier Blutungen pro Jahr von einem Zielgelenk (Target Joint). Die Bildung eines Target Joints sollte aufgrund der Folgeschäden für das Gelenk auf alle Fälle durch eine adäquate Therapie vermieden werden.
Was sind die Folgen von Gelenkblutungen?
Nach einer Gelenkblutung kommt es zum Abbau des Blutes im Gelenkinnenraum. Dieser Abbau geht mit einer Entzündungsreaktion einher. Bei dieser Entzündungsreaktion kommt es zu Veränderungen am Knorpel und zu einer Reizung der Gelenksinnenhaut. Die vor allem bei häufigeren Blutungen in das gleiche Gelenk auftretende ständig entzündete und gereizte Gelenksinnenhaut führt zu:
- Wucherungen der Gelenksinnenhaut
- Knorpelschäden
Diese Veränderungen haben zur Folge, dass das Gelenk für weitere Blutungen anfälliger und dadurch die Entzündung chronisch wird. Bleibt die Entzündung nun weiter bestehen, dann entwickeln sich
- Vernarbungen der Gelenkkapsel
- Knorpelverlust (Arthrose)
Man spricht dann auch von fortgeschrittenen Schäden am Gelenk, die letztendlich dazu führen, dass das Gelenk für den Patienten unbrauchbar wird.
Auch die das Gelenk umgebenden Muskeln und Bänder werden durch Entzündungen und Schäden am Gelenk beeinträchtigt. Ein Gelenk, das entzündet ist, oder Schäden aufweist, ist schmerzhaft und kann nicht mehr richtig bewegt werden. Dies führt wiederum dazu, dass der Patient das Gelenk nicht mehr bewegt. Das Ruhigstellen eines Gelenks auf längere Zeit hat jedoch zur Folge, dass sich die Muskeln und Bänder verkürzen und schwach werden. Ein Gelenk, das von schwachen Muskeln und verkürzten Bändern umgeben ist, ist jedoch instabil und damit wiederum anfälliger für Verletzungen. Es ist somit wichtig, diesen Teufelskreis zu unterbrechen, indem man dafür sorgt, dass keine weiteren Blutungen in das Gelenk auftreten.
Quellen:
- Klinisches Wörterbuch Pschyrembl, 258. Auflage 1999, ISBN 3-11-014824-2
- „WFH Guidelines for the Management of Hemophilia, 3rd edition“, Srivastava et al, Haemophilia, 2020