Was ist Hämophilie?
Die Hämophilie (aus dem Griechischen von Häm = Blut und -philie = Neigung) ist eine Erbkrankheit, die mit einer erhöhten Blutungsneigung einhergeht.
Volkstümlich wird die Hämophilie auch häufig Bluterkrankheit genannt. Heutzutage möchten die Betroffenen jedoch nicht mehr als Bluter, sondern als Hämophile bezeichnet werden, da der Begriff in der Geschichte häufig mit negativen Gefühlen und Vorurteilen belegt war.
Ursache der erhöhten Blutungsneigung ist das Fehlen von bestimmten körpereigenen Eiweißen, den so genannten Gerinnungsfaktoren. Diese sind ein Teil des Blutgerinnungssystems, welches für die Blutstillung verantwortlich ist. Sie werden in der Reihenfolge ihrer Entdeckung mit römischen Ziffern oder mit Eigennamen gekennzeichnet.
Bei der Hämophilie kann nach einer Verletzung durch das Fehlen von Gerinnungsfaktoren kein stabiles Blutgerinnsel gebildet werden. Die Folge davon ist, dass im Gegensatz zu Gesunden die Blutungen länger andauern und es zu gefährlichen Blutverlusten kommen kann.
Geschichte der Hämophilie
Unser heutiges Wissen über die Diagnose und Therapie der Hämophilie A und B ist eng mit den Erkenntnissen biochemischer und molekularbiologischer Vorgänge beim Gerinnungsvorgang verbunden – und dieses Wissen wurde in den letzten 150 Jahren entwickelt. Dagegen ist das Wissen über die Möglichkeit der Vererbung der Hämophilie schon ca. 2000 Jahre alt.
Bereits im Talmud erwähnt
So wird im ,,Talmud“ (um 200 nach Christus) im Zusammenhang mit der rituellen Beschneidung bereits darauf hingewiesen, dass nach dem Tod von 2 Buben der dritte nicht mehr beschnitten werden sollte. Einige Jahrhunderte später berichtete der zu dieser Zeit wohl berühmteste Chirurg unter den arabischen Ärzten, Abulcasis, um 1000 n. Chr. über eigenartige Blutungen bei verschiedenen männlichen Bewohnern einer Ortschaft in der Nähe von Cordoba. Nach heutigem Kenntnisstand könnte es sich hierbei um die Hämophilie gehandelt haben.
Der Begriff „Hämophilie“ wird erstmals veröffentlicht
Die erste umfassendere Darstellung und exakte Beschreibung des Blutungsablaufes wird von J. C. Otto aus den USA (Philadelphia) 1803 formuliert, in der erstmalig das Wort ,,Bleeder“ (Bluter) und mehrere Bluterfamilien erwähnt werden.
Mit der von C. Nasse berühmt gewordenen Veröffentlichung ,,Von einer erblichen Neigung zu tödlichen Blutungen“ (1820) wird erstmals eine Erbregel und eine Übersicht über die bis dahin publizierten Bluter erstellt, wobei auf die Übertragung durch Frauen auf nur männliche Personen besonders hingewiesen wird. Seit dieser Zeit wird über Jahrzehnte hinweg überwiegend in deutschen Schriften über die Erkrankung berichtet. Friedrich Hopff hat 1828 in seiner Dissertation „Über die Hämophilie oder die erbliche Anlage zu tödtlichen Blutungen“ den von seinem Lehrer Schönlein geprägten Begriff „Hämophilie“ erstmals veröffentlicht, der seitdem international anerkannt ist. Die erste Monographie über die ,,Hämophilie“ schrieb L. Grandidier (1855).
Eine königliche Erkrankung
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde die Hämophilie als „königliche Krankheit“ bekannt. Königin Victoria von England (1819-1901) hatte sie an einige ihrer Nachkommen weitergegeben. Durch ihre Töchter verbreitete sich die Erkrankung über mehrere Generationen auch im spanischen, preußischen und russischen Herrscherhaus. Der bekannteste Betroffene ist der 1904 geborene Zarewitsch Alexej, Sohn von Zar Nicholas II. Heute wissen wir, dass er Hämophilie B hatte.
Unterscheidung zwischen Hämophilie A+B
Die diagnostischen Schritte, die zur Entdeckung der Hämophilie A und B führten, begannen mit der Veröffentlichung der ersten Methode zur Messung der Blutgerinnungszeit durch Wright (1893).
1950 fanden Pavlovski und Biggs unabhängig voneinander eine andere Form der Hämophilie, die später durch Biggs (1952) „Christmas Disease“ im Gegensatz zur Hämophilie A, der klassischen Form der Hämophilie, genannt wurde. Der Begriff Hämophilie B kam erst später auf.
Quellen:
- „The history of haemophilia – a short review“, W. Schramm; Thromb Res, 2014
- „The history of Haemophilia“, G. Ingram; J Clin Pathol, 1976
- „Hämophilie- Erfolgsgeschichte mit Hindernissen“, C. Bidlingmaier et al, Dr. von Haunersches Kinderspital - LMU